Sigristenhaus zum hl. Blut
Baugeschichte
Das Sigristenhaus zum hl. Blut wurde im späten 18. Jahrhundert, gemäss Ratsprotokoll, nach den Anweisungen des Willisauer Stadtrates erbaut. Das Baudatum 1776/77 wird durch die Bauausgabenrechnung im Band der Pfrundpflegerechnungen bestätigt.
Da die Kapelle zum hl. Blut seit dem Spätmittelalter von grosser Bedeutung für das religiöse Leben der Region war, wollte man wohl im Sinne einer besseren Aufsicht, den Sigristen vor Ort ansiedeln Eine vermehrte Mitwirkung und Kontrolle im Andachtsleben der Kapelle wurde vom Sigrist damals abverlangt.
Dreissig Jahre nach dem Sigristenhausbau entschloss sich die Stadt, die Stadtkirche durch ein wesentlich grösseres Bauwerk zu ersetzen. Die massive Vergrösserung der neuen Kirche hatte Auswirkung auf das Begräbniswesen der Stadt. Der Kirchhof konnte nicht vergrössert werden; es fehlte der Platz für die weiteren Bestattungen.
So wurde mit Baubeginn der neuen Kirch (1805) der städtische Friedhof zur Heiligblutkapelle verlegt. Mit Ausnahme des kleinen Sigristengartens wurde die ganze Grünarealinsel als Friedhof eingezont.
Nach rund dreissig Jahren war dieser Friedhof voll belegt. Wiederum begab man sich auf die Suche nach einem neuen Friedhofareal. In einem langwierigen Prozedere entschied man sich für den heutigen Friedhofplatz, jenseits der Enziwigger. 1842 konnte der neue Friedhof eröffnet werden.
Der Heiligblutfriedhof wurde offiziell zum Jahreswechsel 1854/55 aufgegeben, die Gebeine ausgegraben und in den neuen Friedhof transferiert. Daraufhin beschloss die Stadt, das Gelände um das Sigristenhaus als öffentlichen "Lustgarten" zu gestalten. Ab 1862 bestand dieser Garten. Grosse mächtige Bäume zierten den Lustgarten und gaben ihm ein eindrückliches Gepräge. Mit ihren wuchtigen Stämmen, ihrem kühnen Geäst und bezaubernden Laubwerk beschirmten sie gleichsam Sigristenhaus und Kapelle. 1945 wurden diese prächtigen Bäume leider gefällt.
Im mittleren 19. Jahrhundert dokumentieren die Pfrundrechnungen, dass sich im Erdgeschoss des Sigristenhauses ein "Lokal zu Wachtstube" für den Torwächter befand. Die Renovations- und Änderungsmassnahmen am Sigristenhaus lassen sich mit den Pfrundrechnungen und Ortsbürgerratsprotokollen recht gut verfolgen.
Für das vorliegende Projekt zur Erneuerung des Sigristenhauses, wurde die Baugeschichte bis um 1900 berücksichtigt.
Baubeschreibung
Das westlich der Wallfahrtskapelle Heiligblut gelegene Sigristenhaus, beansprucht in der Umgebung vor dem Obertor, städtebaulich eine wichtige Position. Als Vorzone zur Altstadt bildet die kleine Baugruppe "Sigristenhaus und Wallfahrtskapelle zum hl. Blut" ein wertvolles sakrales Ensemble, dessen Situationswert kunsthistorisch hoch einzustufen ist.
Fassaden
Das giebelseitig zur alten Landstrasse ausgerichtete dreigeschossig und dreiachsig gestaltete Bauwerk, heute sichtbar als verputztes Holzfachwerk, steht auf massivem Sockelgeschoss. Im hochgezogenen leicht geknickten Satteldach mit Krüppelwalm, ist das Dachgeschoss mit einem liegenden Dachstuhl konstruiert.
Das heutige Erscheinungsbild des Sigristenhauses geht am Äussern mit wenigen Ausnahmen auf die etlichen Renovationsarbeiten aus dem Ende des 19. Jh. zurück. Drei Fassaden sind mit einem relativ feinen Wormserputz verputzt. Die vierte Fassade, die Westfassade wurde wohl aus Witterungsgründen, 1895 mit einem Schindelschirm belegt. Die hölzernen Ecklisenen, die äusserst filigranen Fenster mit Futter und Verkleidung, sowie die Jalousien gehören ebenfalls in die besagte Bauerneuerungsphase.
Ausgehend von der Baugeschichte des Bauwerkes und gestützt durch den Untersuchungsbericht des Restaurators, ergaben sich in Gesprächen mit dem Gebietsdenkmalpfleger, den Architekten und der Baukommission die Konzeptidee, die heutige Fassadengestaltung aus der Renovationsphase 1895" am Äussern zu respektieren und mit konservierenden Massnahmen die notwendige Erneuerung der Fassadenhülle anzustreben.
Ausgenommen von dieser Konzeptidee ist die Neugestaltung der Nordfassade. Die schadhafte Abtrittbaute auf der Nordseite wurde 1896 abgebrochen und in Form einer Laube wieder aufgebaut. Da der Zustand der Laube heute wiederum baufüllig ist soll diese entfernt und nach der Konzeptidee der Architekten durch einen neuen Anbau mit integriertem Treppenhaus ersetzt werden.
Innenräume
Die Raumeinteilungen im Innern des Bauwerkes sind über die Jahre hinweg weitgehend intakt geblieben. Diesem Umstand wurde auch bei der heutigen Planung Rechnung getragen, indem die bestehenden Räume bei der fülligen Renovation nicht verändert werden. Die Bausubstanz wird somit schonend behandelt. Anhand der Gebrauchsspuren kommt man zum Eindruck, dass die hölzernen Bauteile mit Ausnahme der Fenster, ursprünglich weitgehend holzsichtig waren. Neben der barocken Holzsichtigkeit sind auch Graufassungen aus dem 18./Anfang 19. Jh. nachgewiesen. Die bei der kommenden Renovation zu behandelnden Oberflächen haben sich am ausgearbeiteten Gestaltungskonzept zu orientieren. Wohn- und Esszimmer im 1. Obergeschoss mit ihren Wand- und Deckentäfern, sowie Treppenhaus und Korridor im 2. Obergeschoss mit der auf Sicht gearbeiteten Holzbalkendecke und den grau gefassten Riegelwänden, gehören zum gehobenen Baubestand dieses Bauwerkes.
Epilog
Die Projektleitung stellt mit Bedauern fest, dass das Sigristenhaus am Äussern, einen baulich desolaten Eindruck hinterlässt. So muss das Ziegeldach welches seit langer Zeit undicht ist, jährlich mit viel Aufwand geflickt werden, damit die Bausubstanz gehalten werden kann. Auch das Fassadenkleid lässt augenfällig zu wünschen übrig. Etliche Stellen im Putzbereich sind ausgebrochen und vorwiegend das Sockelgeschoss leidet unter der aufsteigenden Feuchtigkeit.
Das Bauwerk ist auch im Innern gealtert und teilweise schadhaft, trotz guter Behandlung und Pflege durch die heutigen Mieter. Darum braucht es nebst den technischen Erneuerungen, aussen wie innen, wichtige konservatorische Massnahmen damit die bauliche und künstlerische Substanz an diesem Werk gehalten werden kann.
Es scheint uns, dass der Kairos (der günstige Zeitpunkt für die Entscheidung) gekommen ist, dieses äusserst reizvolle Gebäude wieder Instand zu setzen. Umso mehr die Kapelle zum hl. Blut 2012 saniert wurde und sich heute im frischen Glanz präsentiert. Sigristenhaus und Kapelle zum hl. Blut gehören als Baugruppe zusammen und haben städtebaulich und kunsthistorisch einen hohen Stellenwert. Sie sind im kantonalen Denkmalverzeichis eingetragen.
Jahr
2015
Projektort
Willisau
Bauherrschaft
Röm.kath. Kirchgemeinde Willisau